Nicht nur Oppositionelle, Menschenrechtler und Journalistinnen haben seit 2022 in großer Zahl Russland verlassen. Auch Regisseurinnen und Filmemacher können nur noch im Exil Werke über den grausamen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die immer repressiver werdenden Verhältnisse in ihrer Heimat veröffentlichen.
Sergej Lukaschewski, Beata Bubenets, Wladimir Nepewny und Moderatorin Ulrike Gruska auf dem Panel (vlnr; Foto: DSG)
Beim Filmfestival Cottbus, das sich seit 1991 auf Kino aus Mittel- und Osteuropa spezialisiert, wurden am Freitag zwei solche Produktionen gezeigt: „A Shaman‘s Tale“ von Beata Bubenets und „When we Return” von Wladimir Nepewny. „Im Anschluss begrüßten Festival-Programmdirektor Bernd Buder und Peter Franck – Vorstandsmitglied der Deutschen Sacharow Gesellschaft – das Publikum zu einer gemeinsam organisierten Diskussion mit den beiden Regisseuren und dem Menschenrechtler Sergei Lukaschewski.
„A Shaman’s Tale“ dokumentiert die tragische Geschichte des selbsternannten Schamanen Alexander Gabyschew, der 2019 versuchte, aus seiner Heimatstadt Jakutsk in das mehr als 8.000 Kilometer entfernte Moskau zu laufen, um Wladimir Putin den Dämon auszutreiben, der ihn offensichtlich befallen hat. Gabyschew gelang es, unterwegs bis zu 1.000 Anhänger gegen Putin zu versammeln und schaffte es immerhin zum Baikalsee (2.800 Kilometer von Jakutsk, aber immer noch knapp 5.500 Kilometer vor Moskau), bis er verhaftet wurde. Seit 2021 fristet er sein Dasein in einer psychiatrischen Anstalt – ein klarer Fall von Missbrauch der Psychiatrie.
„When we Return“ zeigt die bewegende Familiengeschichte des Regisseurs Wladimir Nepewny, der versucht, seine Eltern und die Familie seines Bruders aus dem von russischen Bomben bedrohten Odesa nach Deutschland zu holen. Gleichzeitig dokumentiert Nepewny seine deprimierenden Videotelefonate mit seinem in St. Petersburg gebliebenen Sohn, der den Krieg als „patriotische Pflicht“ unterstützt.
Bei der anschließenden Diskussion wurde unter anderem die Frage erörtert, wie solche Filme ein Publikum in Russland erreichen können. Das Internet ist der einzige Weg, aber seitdem die meisten regierungskritischen Websites gesperrt sind und jüngst auch Youtube gedrosselt wurde, ist auch das schwierig geworden. Der russische Staat versucht auch VPN-Technologie zu unterdrücken, mit der solche Sperren umgangen werden können. Und Bubenets erinnerte daran, dass eine von ihr inszenierte Puppen-Show über Gabyschew bereits 2020 in Moskau von pro-Putin Aktivisten verhindert wurde.
Nepewny, der das Gift der Kremlpropaganda in der eigenen Familie abgebildet hat, erklärte, dass derart verblendete Menschen ihre Meinung kaum durch Argumente änderten – es müsse schon ein extreme Lebenssituation eintreten. Risse in Familien wie der seinen seien in Russland mittlerweile üblich. Bubenets wies darauf hin, dass es in Russland noch viele Regimegegner gebe, die in Isolation oder Haft zum Schweigen gebracht wurden. Als Beispiel nannte sie den Pianisten Pawel Kuschnir, der im Juli nach einem Hungerstreik in einem russischen Gefängnis starb.
Lukaschewski wiederum wies darauf hin, dass es trotz Zensur und Repressionen in Russland noch sehenswerte Filme und lesenswerte Bücher gibt. Als Beispiel nannte er das Buch „Das Ende des Regimes“ des russischen Publizisten Alexander Baunow, in dem es um das Ende dreier europäischer Diktaturen geht – in Portugal, Spanien und Griechenland. Das Buch verkaufe sich blendend.
„A Shaman’s Tale“: Trailer ansehen
Homepage des Festivals: Fimfestival Cottbus
Die Diskussion fand im Rahmen des vom Auswärtigen Amt unterstützten Projekts „Wege zur Aufarbeitung von Krieg und Diktatur“ der Deutschen Sacharow Gesellschaft statt.