Seit dem Überfall auf die Ukraine hat sich die Kremlpropaganda nochmals verschärft. Zwar hat die EU ihre Hauptkanäle mit einem Verbreitungsverbot belegt, im Internet kann man sie aber ohne weiteres finden. Viel schlimmer ist die Lage in Russland, wo praktisch alle unabhängige Medien geschlossen wurden und/oder das Land verlassen haben. Dies war das Thema unserer Diskussion auf dem Düsseldorfer “Campfire” Festival.
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Russische Propaganda wird zu wenig als Problem erkannt in Deutschland – Kreml-Narrative, etwa dass die Ukraine Schuld an dem Krieg habe, breiten sich immer wieder aus, sagte Caroline von Gall vom Vorstand der Deutschen Sacharow Gesellschaft, zur Einführung.
In der anschließenden von der in Berlin lebenden Bloggerin Olga Romanowa moderierten Diskussion erläuterte der russische Journalist und Geisteswissenschaftler Kyrill Martynow warum es die russische Propaganda in ihrem Herkunftsland so leicht hat: So seien demokratische Institutionen wie Parlament, Justiz und Medien zerstört und die politische Elite, allen voran Präsident Wladimir Putin, hätten sich öffentlich schon lange keiner echten politischen Debatte mehr gestellt.
Das Wichtigste ist aber wohl Martynow zufolge, dass die Propaganda alles in schönem Licht erscheinen lasse – etwa dass die „Militäroperation“ in der Ukraine nach Plan läuft – während die Wirklichkeit, über die die heute fast ausschließlich im Exil operierende demokratische Presse berichtet, ja ziemlich schlimm ist. So werden die Propaganda zum „Opium des Volkes“, das attraktiver ist als freie Medien wie die nach Kriegsbeginn gegründete „Nowaja Gaseta Europa“, deren Chefredakteur Martynow ist.
Dennoch, betonte Martynow, fallen zahlreiche Russen nicht auf die Propaganda rein – so hätten 15 Millionen von ihnen noch 2020 gegen die Verfassungsreform gestimmt, mit der sich Putin die Präsidentschaft quasi auf Lebenszeit ergatterte.
David Schraven, Chef des Recherchebüros Correctiv, meinte dann auch, dass ein System, in dem Milliarden für Propaganda und Rüstung fließen, irgendwann zum Scheitern verurteilt sei. „Am Ende ist den Menschen wichtiger, dass ihr Leben besser wird,“ sagte er.
Aber Schraven betonte, dass es auch in Deutschland schwer sei, der Propaganda die Stirn zu bieten. Wichtig sei, zu widersprechen, etwa in sozialen Medien, betonte er. Darüber hinaus seien die besten Gegenmittel „Bildung, Bildung und Bildung“ – etwa Nachrichtenkompetenz. Doch das sei eine langfristige Aufgabe, wie schon die Aufarbeitung der Nazi-Propaganda nach 1945 in Deutschland gezeigt habe – auch hier begann der Aufbau einer neuen Gesellschaft erst in den 1960ern.
Correctiv stelle sich der Herausforderung, indem die Mitglieder des Recherchebüros seit Jahren in Schulen und Kindergärten gehen, um Medienkompetenz weiterzugeben.
Informationspartner: Youtube-Kanal „O strane i mire“ (Über Land und Welt)
Bildcollage: Sacharow-Zentrum
Die Veranstaltung fand gemeinsam mit dem Recherchezentrum “Correctiv” im Rahmen des Campfire Festivals in Düsseldorf statt. Sie wurde im Rahmen des Projekts „Dialoge in der Turbulenzzone” vom Auswärtigen Amt unterstützt.
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