Erklärung der Deutschen Sacharow Gesellschaft zum Beginn des Prozesses gegen den prominenten russischen Menschenrechtler Oleg Orlow: Russland steuert ungebremst in den Totalitarismus. Bund und Länder müssen endlich sichere aufenthaltsrechtliche Rahmenbedingungen für die Arbeit russischer Bürger- und Menschenrechtler:innen in Deutschland schaffen
Am Donnerstag, 8. Juni 2023, beginnt in Moskau der Strafprozess gegen den langjährigen Vorsitzenden des Menschenrechtszentums von Memorial, Oleg Orlow. Wegen „Diskreditierung der Armee“ drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.
„Der russische Angriffskrieg bringt Tag für Tag Leid über die Menschen in der Ukraine. Parallel geht der Kreml im eigenen Land weiter rücksichtslos gegen diejenigen vor, die sich seit Kriegsbeginn in Russland der Aggression und den damit einhergehenden Kriegsverbrechen unerschrocken öffentlich entgegenstellen“, sagt Peter Franck, Vorstandsmitglied der Deutschen Sacharow Gesellschaft. „Nach der Zwangsauflösung der inzwischen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Bürger- und Menschenrechtsorganisation Memorial werden nun ihre Mitglieder persönlich mit Durchsuchungen und Beschlagnahmen drangsaliert sowie mit Strafverfahren überzogen. Damit macht der Kreml einmal mehr deutlich, dass er all das vernichten will, wofür das Land unter den Vorzeichen von Glasnost und Perestroika einmal aufgebrochen war.
Orlow war mit Andrej Sacharow Mitgründer von Memorial
Es ist tragisch, dass es mit Oleg Orlow jetzt einen Menschen trifft, der sich gemeinsam mit Andrej Sacharow und anderen mit der Gründung von Memorial auf den Weg gemacht hatte, sich in Auseinandersetzung mit der eigenen totalitären Geschichte für die Gewährleistung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen,“ so Franck weiter.
Oleg Orlow war bereits mehrfach wegen Ordnungswidrigkeiten verurteilt worden. Unter anderem hatte er sich öffentlich mit einem Plakat an die eigene Bevölkerung gewandt, auf dem es heißt: „Unser Unwillen, die Wahrheit anzuerkennen und unser Schweigen machen uns zu Mitschuldigen an Verbrechen.“ Hintergrund des im März gegen ihn eröffneten Strafverfahrens ist ein von ihm im November 2022 verfasster Artikel, in dem er sich mit dem „vom Putin-Regime entfesselten Krieg in der Ukraine“ auseinandersetzt.
„Dass der Kreml nicht davor zurückschreckt, nun auch strafrechtlich gegen führende Repräsentanten der russischen Menschenrechtsbewegung vorzugehen, zeigt, dass das Land ungebremst in einen neuen Totalitarismus steuert“, betont Franck.
„Vor diesem Hintergrund fordern wir die Bundesregierung und die Landesregierungen auf, endlich denjenigen einen sicheren Aufenthaltsstatus zu gewähren, die entschieden haben, Russland zu verlassen und ihre Menschenrechtsarbeit gemeinsam mit den in Russland Verbliebenen von Deutschland aus fortzusetzen. Das ist ein Gebot praktischer Solidarität.“
Kontakt für Interviewanfragen: mail@sacharow.de
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